Zu Georg Brandes

Georg Brandes (1842−1927) war ein dänischer Literaturkritiker, Philosoph und Schriftsteller. Seine schriftstellerische Tätigkeit stand im Zeichen der Vermittlung skandinavischer Literatur in den europäischen Ländern sowie einer nationenübergreifenden, europäischen Perspektive auf literarische Texte. Dieses Anliegen bemüht sich die Brandes-Gesellschaft im Geiste ihres Namensgebers fortzusetzen. Ihre Arbeit ist den Bereichen der Literaturvermittlung und des Kulturstransfers gewidmet.

Georg Brandes – ein Kurzporträt

Georg Brandes wurde am 4. Februar 1842 als ältester von drei Brüdern in einer bürgerlichen assimilierten jüdischen Familie in Kopenhagen geboren. Eltern: Herman Cohen Brandes, Großkaufmann (1816-1904), und Emilie Bendix (1818-98).

1859: Abitur.

1859: Universitätsstudium der Philosophie (bei Rasmus Nielsen); bis 1862 auch juristische (Brot)Studien. Selbstständige Studien der Ästhetik und Literatur, der Kunstgeschichte sowie des Griechischen und Lateinischen.

1864: Dänische Kriegsniederlage bei Dybbøl, Abtretung der dänischen Herzogtümer. 1866: Sieg Preußens über Österreich.

1866: Erste größere Auslandsreise (Lübeck, Köln, Bruxelles, Paris).

1867: Erste Liebeserfahrungen mit der 13 Jahre älteren, unglücklich verheirateten und sechsfachen Mutter Caroline David.

1868: Ästhetiske Studier; 1870: Kritiker og Portraiter – beides Sammelbände von Zeitungsaufsätzen – (Dt.: Ästhetische Studien und Kritiken und Portraits).

1869: Übersetzung von John Stuart Mills The subjection of women, 1869 (Dänisch: Kvindernes Underkuelse, 1869; dt.: Die Hörigkeit der Frau, 1869).

1870: Habilitation mit einer Arbeit zur Ästhetik des französischen Naturalisten Hippolyte Taine: Den franske Æstetik i vore Dage (Dt.: Die französische Ästhetik in unseren Tagen) (mündliche Verteidigung am 25.2.1870).

1870 (von April 1870 bis Juli 1871): Reisestipendium für eine Reise über Hamburg nach Paris und Genf sowie über Savoyen nach Torino, Mailand, Florenz und Rom. Heimreise über Florenz, Bologna, Venedig, München und Dresden.

1871(-1918): Gründung des deutschen Reiches nach der Niederlage Frankreichs.

1871 (3. 11.): Vorlesungen über die Hauptströmungen der Literatur des 19. Jahrhunderts (in den Jahren 1872-90 – dt.: ab 1872 in sechs Bänden unter dem Titel Hovedstrømninger i det nittende Aarhundredes Litteratur publiziert). Die Vorlesungen riefen den sogenannten ‚Durchbruch der Moderne‘ in Skandinavien hervor.

1875: Die Pariser Kommune wird niedergeschlagen; erste sozialistische Publikationen in Dänemark; Gründung der dänischen ‚Internationale‘; Gründung der dänischen Frauenorganisation ‚Dansk Kvindesamfund‘.

1876 (29.7) Heirat in Berlin mit der (wegen einer Liebesbeziehung zu Georg Brandes) geschiedenen deutschen Johanne Louise Henriette (Rufname: Gerda) Strodtmann; geb. 1845 (Ehefrau seines deutschen, in Berlin ansässigen Übersetzers Adolf Strodtmann).

1877: Publikation der literaturpsychologischen Biographie: Søren Kierkegaard und Danske Digtere (Dt.: Dänische Dichter).

1877-1883: Wohnhaft in Berlin.

1879: Geburt der Tochter Edith.

1880: Geburt der Tochter Astrid.

1883: Publikation von Det moderne Gjennembruds Mænd (Dt.: Die Männer des modernen Durchbruchs).

1884: Erste ernsthafte eheliche Auseinandersetzungen.

1884: Gründung der Zeitung Politiken (Chefredakteur: Viggo Hørup, bis 1901; danach Edvard Brandes bis 1904).

1885: Publikation von Artikeln und Zeitungsberichten aus der deutschen Reichshauptstadt im Band Berlin som tysk Rigshovedstad (dt.: Berlin als deutsche Reichshauptstadt. Erinnerungen aus den Jahren 1877-1883).

1885-(87): Beteiligung an der umfangreichen skandinavischen Debatte über Fragen der Sittlichkeit (Dä.: „Sædelighedsfejden“).

1888: Vorlesungen über Nietzsche an der Universität Kopenhagen.

1889: Publikation der Nietzsche-Vorlesungen unter dem Titel: Aristkratisk Radikalisme. En Afhandling om Friedrich Nietzsche (Dt.: Nietzsche. Eine Abhandlung über aristokratischen Radikalismus).

1890: Tod der Tochter Astrid an Diphtheritis.

1891: Feierliche Großveranstaltung im Konzertpalais Kopenhagen anlässlich des 25-jährigen Jubiläums Georg Brandes als Schriftsteller; Initiator ist Henrik Cavling, Reporter der Zeitung Politiken; ab 1905 Chefredakteur dieses Blattes.

1895: Publikation von Shakespeare. Gegen den Widerstand seiner Ehefrau reicht Brandes einen Scheidungsantrag ein.

1898: Tod der Mutter.

1901: Das sogenannte „Systemwechsel“ (Dä.: „Systemskiftet“) der dänischen Politik beendet eine 30 Jahre lange Auseinandersetzung um die dänische Verfassung zwischen den Parteien Venstre (Liberale) und Højre (Konservative). Es wurde bestimmt, dass der König keine Regierung berufen konnte, die eine Minderheit im Parlament („Folketing“) gegen sich hatte. Damit endete die sog. Provisorienzeit 1885-94, (Dä.: Provisorietiden), in der die konservative Regierung von J.B.S. Estrup vorläufige Haushaltgesetze gegen die Mehrheit der Stimmen im Parlament erlassen konnte.

1901: Dank des „Systemwechsels“: Ruf auf eine Professur an der Universität Kopenhagen.

1910: Auszug aus dem ehelichen Wohnsitz; rechtsgültige Scheidung.

1914-18: Erster Weltkrieg und Russische Revolution („Oktoberevolution“ 1917).

1914: Reise in die USA.

1920: Aufgrund eines Volksendscheids kommt es in Verbindung mit dem Versailler Vertrag (1919) zur Wiedervereinigung Nordschleswigs mit Dänemark.

1921: Groß angelegte Huldigung (mit Fackelzug, Festvorlesung etc.) von Georg Brandes anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Publikation von Emigrantlitteraturen (Teil der Hauptströmungen – siehe oben).

Brandes stirbt am 19. Februar 1927; seine Asche wurde beim „Schleswigschen Stein“ in „Dyrehaven“ (Jægersborg Dyrehave), nördlich von Kopenhagen, ausgestreut.

Literatur:

Dansk Biografisk Leksikon. Red.: Svend Cedergreen Bech. 3. udgave. Gyldendal. København, 1979-84.

Jørgen Knudsen: GB. En Georg Brandes-biografi. Gyldendal. Denmark, 2008.

Zusammengestellt von: Ivy York Möller-Christensen, erschienen in: Matthias Bauer / Ivy York Möller-Christensen (Hg.): Georg Brandes und der Modernitätsdiskurs. Moderne und Antimoderne in Europa I. Hamburg: Igel Verlag 2013, S. 181-184.

Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Igel Verlags, Hamburg.